Die mit den Ohren sehen

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Ende März 2022 fand im MoorIZ in Resse der Multi-Media-Vortrag „Fledermäuse-mystisch-faszinierend-schutzbedürftig“ von und mit Dr. Irene Jacks-Sterrenberg statt.
Schon vorab gibt es auf einem Tisch einiges zum Stöbern für Fledermaus-Fans: eine allgemeine Broschüre zu den Flugkünstlern der Nacht sowie spezielle Hinweise zum Fledermausschutz an Gebäuden, ein Informationsheft für Kinder und auch ein echtes ausgestopftes Exemplar sowie Kotproben unterschiedlicher Fledermausarten.
Daneben liegen noch drei Exemplare des NABU Fledermauskastens „Glamis“ - wer möchte, kann damit direkt nach dem Vortrag ein eigenes Hotel für die Nachtschwärmer eröffnen.
Musikalisch auf den Star des Abends vorbereiten sollte eigentlich die Ouvertüre aus der gleichnamigen Operette von Johann Strauss - aufgrund der aktuellen Lage hat die Referentin jedoch von dieser fröhlich-schwungvollen Musik abgesehen.
Stimmung kam trotzdem auf, mit Gedichten und Zeichnungen, die der Fledermaus zahlreich gewidmet wurden. Meist wird sie als Zwischenwesen dargestellt, das sich entweder taktisch geschickt zwischen den Elementen bewegt oder melancholisch ein einsames Dasein fristet, weil sie weder Maus noch Vogel ist.
Von der Geschichte in die Gegenwart – wie sehen die Fledermäuse denn nun mit den Ohren?
Auf Fotos von Fledermäusen im Fluge sieht man die Tiere meist mit geöffnetem Maul - als würden sie etwas laut ausrufen. Das tun sie auch, nur hören wir das nicht. Sie jagen und orientieren sich mit Hilfe der Ultraschall-Echoortung. Unsere Hörfähigkeit endet bei 16 bis 18 Kilohertz. Die Laute der Fledermaus werden jedoch in einem Bereich von etwa 20 bis zu 140 Kilohertz erzeugt.
Um die Laute hörbar zu machen nutzt man den Fledermausdetektor, ein spezielles Gerät, das die Rufe über ein Mikrofon aufnimmt und in niedrigere Frequenzen übersetzt. Die Fledermaus-Expertin spielt nun einige Hör-Beispiele ein, die eindrucksvoll den Zuschauerraum erfüllen. Es ist eine Mischung aus knackenden, klickenden und gesungenen Tönen. Jede Fledermausart hat ihre besondere Rufcharakteristik und nutzt bestimmte Frequenzbereiche.
Deshalb ist es sogar möglich mit dem Gerät zu „messen“, welche Art sich gerade in der Luft befindet. So lässt ein Wert von 45 kHz z.B. auf eine Zwergfledermaus schließen.
Dr. Jacks-Sterrenberg hat auf ihren Führungen übrigens durchaus erlebt, dass Menschen den Ultraschall-Ton wahrnehmen, doch waren es immer Kinder. „Sie wissen nicht genau, was sie hören – aber sie hören etwas.“ Wenn wir Erwachsene meinen eine Fledermaus zu hören, ist das in den meisten Fällen nur der Flügelschlag.
Von den 19 Arten, die in Niedersachsen heimisch sind, lernen wir nun einige im Portrait kennen.
Die Wasserfledermaus mit ihren großen Füßen hat es der Expertin besonders angetan. Ein Bild zeigt sie als elegante Jägerin - wie ein Laubrechen nehmen ihre Zehen Insekten von der Wasseroberfläche auf, verzehrt werden sie noch im Flug. Um die 4.000 Mücken verzehrt eine Wasserfledermaus so pro Nacht.

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Die Wasserfledermaus auf Beutefang

Das Braune Langohr könnte auch eine Kreation von E.T.-Erfinder Steven Spielberg sein. Es „lächelt“ mit seinen Knopfaugen im pelzigen Gesicht so freundlich in die Kamera, dass man es sofort umsorgen will. Mit Ohren, fast so lang wie der ganze Körper, kann es selbst leiseste Echos seiner Ultraschallrufe wahrnehmen und Krabbelgeräusche von Beutetieren orten.
Unseren Beschützerinstinkt können alle Fledermausarten gut gebrauchen. Der Schublade „unheimlich und düster“ sind sie zwar entkommen, aber sie benötigen dringend mehr Hilfe um noch ausreichend Nahrung und einen geeigneten Lebensraum zu finden.
Mit der richtigen Gartengestaltung können Sie viel für die kleinen Flugakrobaten tun. Genau wie es Futterpflanzen für Hummeln, Tagfalter und Bienen gibt, existieren zahlreiche Blumenarten, die nach Sonnenuntergang eine magische Anziehungskraft auf Nachtfalter, die auf dem Speiseplan der Fledermäuse stehen, haben.
Der NABU berät Sie gern, welche "Fledermausblumen" in Ihrem Garten gut gedeihen.
Eine große Auswahl an Fledermauskästen finden Sie online im NABU-Shop. So ein künstlich geschaffenes Quartier, in dem sich die nachtaktiven Tiere tagsüber aufhalten, schlafen und ihre Jungen zur Welt bringen können, wird leider zunehmend wichtiger.
Neubauten lassen oftmals kaum Raum für Fledermäuse. Die zunehmende energetische Sanierung von älteren Gebäuden soll die Gebäudehülle möglichst lückenlos gegen Zugluft und Wärmeverluste abdichten. Für Gebäudefledermäuse bedeutet dies jedoch immer weniger Spalten in Fassaden und Dächern, in die sie sich zurückziehen könnten. Oft wird gar nicht bemerkt, dass wieder ein kleines Zuhause vernichtet wurde.
Bitte lassen Sie deshalb unbedingt durch Fachleute prüfen, ob in einem zu sanierenden oder abzureißenden Gebäude Fledermäuse wohnen.
Als Fledermaus-Botschafterin steht Ihnen Frau Dr. Jacks-Sterrenberg auch hier gerne mit Rat und Tat zur Seite.
Leider ist die Liste der Gefahren noch viel länger wie eine eingeblendete Grafik zeigt.
Ein riesiger Mähdrescher steht für intensive Landwirtschaft. Sie entzieht Fledermäusen durch den Einsatz von Pestiziden ihre Nahrungsgrundlage. Ihres Wohnraums werden sie vor allem durch intensive Forstwirtschaft beraubt. Höhlenreiches Altholz und Bäume mit Potential zur Fledermausbehausung werden immer noch aus den Wäldern entfernt. Der Bedarf an Brennholz steigt weiter, wertvoller Strukturreichtum geht verloren.
Um die Klimaziele zu erreichen werden auch historische Gebäude wie z.B. Kirchen saniert. Der Naturschutz muss diese Eingriffe aktiv begleiten, erklärt Frau Dr. Jacks-Sterrenberg, um Lebensräume zu erhalten oder neue zu schaffen. Nur so gibt es am Ende keine Verlierer.
Weitere Gefahren sind als Stichpunkte aufgeführt und werden ebenfalls erläutert: Kamin und Schornstein, Straßenverkehr, Windkraftanlagen, Tourismus, Klebefallen und Leimringe, Vogelabwehr und Silvesterfeuerwerk. Man hat spätestens jetzt einen Eindruck gewonnen, wie sehr es bei den kleinen Nachtschwärmern ums blanke Überleben geht.
Die Arbeit des NABU Wedemark zum Schutz dieser Tiere ist vielfältig.  Letztes Jahr wurde ein weiteres Winterquartier fertiggestellt. Das  Foto dazu zeigt eine Art Bunker mit mannshohem Eingang.
Eine vom NABU Wedemark betreute Streuobstwiese in Mellendorf ist für Fledermäuse vor allem im Herbst eine wichtige Nahrungsquelle. Um diese Zeit sind dort wesentlich mehr Insekten als in den angrenzenden Wäldern. Alte, stehen gelassene Bäume bieten zudem Höhlen, die als Quartier genutzt werden können.
Fledermäuse bringen in der Regel nur ein Junges pro Jahr auf die Welt. Um zu gebären, finden sich die Weibchen in sogenannten Wochenstuben zusammen. Eine Wochenstube des Großen Mausohrs betreut Dr. Irene Jacks-Sterrenberg in einer Kirche im benachbarten Heidekreis. Ihre Erlebnisse mit den heranwachsenden Fledermäusen hat sie in einem Film dokumentiert, der auch heute Bestandteil ihres Vortrags ist und dem Publikum gefühlt hautnahe Eindrücke beschert.

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Wochenstubenkolonie Großes Mausohr

Zum Abschluss gibt es einen privaten Einblick – die Referentin zeigt Aufnahmen aus ihrem Zuhause und wir treffen die Fledermaus wieder, die man schon vor Beginn der Veranstaltung groß als Desktophintergrund sehen konnte. „Amadeus“ heißt der Kleine und ist eine Handaufzucht der Fledermaus-Expertin. Die Kurzfilme zeigen ihn beim Verzehr eines Mehlwurms und bei ersten Flugrunden im Wohnzimmer.
Wie bei jeder Veranstaltung des NABU Wedemark sind Fragen ausdrücklich erwünscht - bringen diese doch oft noch interessante Details zu Tage. So erfahren wir an diesem Abend z.B. noch, wie Fledermäuse bei einem Quartierwechsel ihren Nachwuchs transportieren.
Haben Sie noch eine Frage an Frau Dr. Jacks-Sterrenberg? Oder möchten Sie Ihre Beobachtungen mit uns teilen? Wenden Sie sich damit jederzeit an den NABU Wedemark. Sprechen Sie uns bitte auch an, wenn Sie über ungenutzten Raum wie z.B. einen leer stehenden Erdkeller verfügen, der ein Fledermaus-Quartier werden darf. Der NABU Wedemark übernimmt gern die Einrichtung.
Gemeinsam freuen wir uns nun auf weitere Begegnungen des Jahres mit diesen faszinierenden kleinen Wesen der Nacht.

Text: Julia Hüting
Fotos: 1 + 2: NABU-Bilddatenbank; Foto 3: Dr. Jacks-Sterrenberg